Zwischen Reiz und Reaktion

Die Lizenz zum Jammern

Nadine und Henning von selbstfuehren.de Season 2 Episode 11

Zwischen Reiz und Reaktion

In der elften Folge von Staffel 2 geht's weiter mit der Auffrischung von Konzepten – wir erläutern den mentalen Zustand RECHTFERTIGEN aus dem Responsibility Process. Außerdem sprechen wir über das strittige Thema des Genderns in der Sprache.

  • [00:38] Überblick zur Folge
  • [01:26] #Konzept – aufgefrischt
    Wir schauen uns an, was den mentalen Zustand RECHTFERTIGEN ausmacht und liefern Beispiele, die du bestimmt kennst.
  • [12:50]  #Jenseits von gut und böse
    Alle wünschen sich mehr Vertrauen, aber herstellen lässt es sich nur, wenn alle etwas dazu beitragen.
  • [25:47] Hinweise in eigener Sache, Kontakt und Abschluss
    Wenn du mit und von uns lernen willst, in einer bewertungsärmeren Welt zu leben, schau mal in unser Coaching- und Weiterbildungsprogramm »Verantwortung meistern für dich und andere« rein.
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Die Musik hat uns Henning Hansen komponiert.

Zwischen Reiz und Reaktion wünschen wir dir Freiheit, Kraft und Optionen.
selbstfuehren.de

Nadine:

Zwischen Reiz und Reaktion.

Nadine:

Der Podcast von selbstführende Inspirierend pragmatisch Optionen schaffen und Perspektiven bieten.

Henning:

Mit Nadine und Henning Wolf.

Nadine:

Was haben wir in dieser Folge vor, Henning?

Henning:

Wir frischen wieder ein Konzept auf und schauen uns den mentalen Zustand rechtfertigen etwas genauer an. Und außerdem sprechen wir unter der Rubrik Jenseits von Gut und Böse über ein Thema, das ein großes Reizthema ist für manche, und zumindest war es ein großes Reizthema, vielleicht ist es das auch noch, und zwar das Gendern in der Sprache. Das auch noch, und zwar das Gendern in der Sprache. Aber wir tun das ja gar nicht, weil es uns wirklich inhaltlich ums Gendern geht, sondern primär, weil wir darüber sprechen wollen, ob es nützlich ist oder nicht so nützlich, ob man Sachen einfach gut findet oder schlecht oder wie man damit eigentlich umgeht.

Nadine:

Nachdem wir uns letztes Mal in der Rubrik Konzept aufgefrischt den ersten mentalen Zustand im Responsibility Process beschuldigen angeschaut haben, beschäftigen wir uns dieses Mal mit dem nächsten mentalen Zustand.

Henning:

Rechtfertigen. Henning, hast du eigentlich die Wäsche gemacht? Eigentlich wollte ich, aber dann kam das Paket, das ich annehmen musste, und dann hat unser Nachbar ja geklingelt, weil sein Auto nicht ansprang, und außerdem hat es die ganze Zeit geregnet, und ich wollte die Wäsche eigentlich gerne draußen aufhängen.

Nadine:

Das klingt ja nach einem vollen Tag, aber die Wäsche wartet halt trotzdem. Wir wollten für den Urlaub doch noch die Wandersachen wieder frisch haben.

Henning:

Ja, ich weiß, aber unter diesen Umständen konnte ich wirklich nichts machen.

Nadine:

Das klingt ja wie eine richtig gute Rechtfertigung. Du bist ja quasi Opfer der Umstände.

Henning:

Genau, ich kann überhaupt nichts dafür, Klar, total menschlich, aber irgendwie bringt uns das nicht weiter. Oder Das ist ein klassischer Moment des Rechtfertigens, wie du ihn bestimmt auch kennst aus dem Privat oder Berufsleben. Und es passiert ja auch verständlicherweise, dass wir uns für Dinge rechtfertigen und dass wir dann glauben, wir konnten wirklich nichts anderes tun, die Umstände waren so, dass nichts anderes möglich war, und diese Rechtfertigungen sind in der Regel ja plausibel. Also es ist ja erstmal nachvollziehbar, die sind nicht gelogen, zumindest meistens nicht. Trotzdem gilt ja, wir kommen nicht richtig weiter. Also, wenn wir dabei bleiben, dass wir nur das denken, dass es deshalb ja nicht ging, naja, dann bleiben wir im Opfer und behalten unser Problem und lösen das Problem nicht. Nadine, was macht denn genau diesen mentalen Zustand rechtfertigen aus?

Nadine:

Der hat eine ähnliche Dynamik wie das Beschuldigen, nur dass unser Gehirn jetzt nicht mehr eine Person beschuldigt, sondern die Umstände. Das kann sich also kurzfristig entlastend anfühlen. Ich kann ja nichts dafür, die Umstände müssten anders sein. Das Problem ist halt solange wir die Umstände verantwortlich machen, geben wir die Macht zur Lösung ab. Ich kann ja nichts tun, das Problem liegt da draußen, und damit machen wir uns wieder selbst zum Opfer und blockieren uns. erlebt bei dir und anderen. Bei anderen fällt uns das natürlich auch auf. aber auch wir nach über acht Jahren Beschäftigung mit dem Responsibility Process tappen natürlich nochmal wieder ins Rechtfertigen. Es ist und bleibt menschlich, und hier haben wir noch ein paar Beispiele. Im beruflichen Kontext könnte das sowas sein, wie der Projektleiter sagt wir haben den Termin nicht gehalten, weil der Kunde die Testdaten so spät geliefert hat. Das ist auch der mentale Zustand rechtfertigen, statt wirklich in die Verantwortung zu gehen für die gerissene Deadline.

Henning:

Oder im Privaten vielleicht sowas wie ich wollte wirklich laufen gehen diese Woche, aber das Wetter war so mies. Also die Verantwortung wird abgegeben an die Umstände, an das Wetter, obwohl wir wahrscheinlich auch auf Alternativen hätten kommen können. Dann das Fitnessfahrrad steht da, wir hätten in der Wohnung rumlaufen können, wir hätten uns eine Regenjacke anziehen können, Vielleicht hätte man auch trotz Regen laufen können.

Nadine:

Oder im Team. Wir können keine neuen Ideen umsetzen, dafür fehlt das Budget. Da steht dann möglicherweise das ganze Team gemeinsam im mentalen Zustand rechtfertigen und sieht keine Option und hat sich darin möglicherweise eben auch ganz gemütlich eingerichtet. So muss man halt auch nichts ändern und behält die Lizenz zum Jammern. Der mentale Zustand rechtfertigen liefert uns logische Kausalzusammenhänge, und bei so super ausgebildeten, schlauen Menschen, wie wir das alle sind wahnsinnig viele Und das heißt, wir kommen auf wahnsinnig viele Erklärungen, warum wir nicht können Unangenehme Gefühle wie Wut oder Scham oder Angst, und es hat auch verbindende Wirkung. Also, wenn erstmal einer anfängt, sich zu rechtfertigen, dann steigen wir da ein, weil das ist ja alles total logisch und nachvollziehbar. Aber es spiegelt eben nur einen Teil des Problems wieder und guckt sich nur einen Ausschnitt an.

Henning:

Und dadurch denken wir dann auch nicht weiter und kommen eben auch nicht auf kreative Lösungen landen, weil da kann man nichts machen. Das kann eigentlich ja schon irgendwie ein Trigger sein für unser Gehirn, uns zu überlegen da sind wir da einfach nur im Rechtfertigen, ist das wirklich so? Könnte nicht doch noch irgendwas anderes gehen? Ich finde übrigens ganz interessant, mir ist aufgefallen, dass wir sprechen ja auch in der Regel davon, dass man sich rechtfertigt. Also in den meisten Fällen ist das ja so, dass wir sozusagen unser Verhalten, warum wir jetzt nichts tun können, rechtfertigen. Ab und zu bemerke ich bei mir selber und auch bei anderen auch ein Rechtfertigen für andere, was wir vielleicht sogar in Teilen zum Schutz benutzen, weil wir in Beschuldigen denken oh Mensch, der Chef hat es auf mich abgesehen, deshalb kriege ich keine Gehaltserhöhung. Und dann denken wir aber auch so eine Rechtfertigung für ihn, naja, aber der kriegt wahrscheinlich Druck von oben und darf nicht so viel Geld ausgeben, wie er gerne würde.

Nadine:

Ist gar nicht persönlich gemeint, liegt doch an den Umständen, nicht an dem Menschen. Ja, kann ich gut nachvollziehen. Irgendwie schützt, ja rechtfertigen auch unser Selbstbild, weil es eben auch die Frage verhindert was hätte ich anders machen können, wo habe ich vielleicht nicht alles gesehen? Und zumindest wenn man so zum Schämen neigt wie ich, also den nächsten mentalen Zustand oft einnimmt, dann kann das durchaus nützlich sein, sich ein bisschen länger im Rechtfertigen aufzuhalten, weil man sich im Grunde ein Stück vor Selbstverletzung schützt. Das führt einen auch nicht schneller zur Lösung, ist schon klar, aber es könnte erstmal seelisch möglicherweise gesünder sein für den Moment aber es könnte erstmal seelisch möglicherweise gesünder sein für den Moment.

Henning:

Und ich weiß nicht, ob dir das auch so als Schemenexpertin auch so geht. Ich beobachte auch manchmal bei mir, wo ich vielleicht zwischendrin schon im Schäben war und dann ins Rechtfertigen zurückgehe, also wo ich mich im Grunde genommen nochmal aus dem Schäben wieder in Richtung Rechtfertigen raushole, weil ich sage nee, nee, also da konnte ich jetzt wirklich nichts machen, da konnte ich auch wirklich nichts für. Und das hängt ja vor allem damit zusammen, dass wir in Schemen, wo wir nochmal ein andermal tiefer drüber sprechen, das sich besonders unangenehm anfühlt, weil es jetzt was mit uns zu tun kriegt. Das ist natürlich das Schöne, dass wir im Rechtfertigen noch in diesem die Schuld im Außen suchen bleiben können eine Weile. Es löst eben nur nicht das Problem, und es macht uns nicht aktiv, es schafft uns nicht Optionen, es macht uns nicht kreativ, wenn wir da bleiben.

Nadine:

Das stimmt, und trotzdem ist es oft sozialverträglich. Also sowas wie ich hatte keine Zeit, oder so ist hier halt die Kultur so, ist hier halt die Chefetage Da, bringt ja kaum einer Argumente gegen vor. Es ist erstmal okay, das so zu sagen und auch es dabei zu belassen.

Henning:

Und ich glaube, das stimmt auf der einen Seite Also da hast du recht, auch weil es ja viele Leute so machen, und insbesondere dann, wenn auch noch andere mit einsteigen und sagen ja genau, und letzte Woche, als ich das und das nicht konnte, da lag das ja auch da dran, und so Also, dass wir uns vielleicht sogar noch bestätigt fühlen, dass andere das auch so sehen. Ich glaube aber, nur weil andere dazu nicht so viel sagen, kann das ja manchmal auch bedeuten, dass sie auch nur eine Wahrnehmung bekommen von okay, da hat jemand es nicht im Griff.

Nadine:

Und da ist jemand im Opfer.

Henning:

Genau da ist jemand im Opfer, und wir kommentieren das vielleicht nicht, wir helfen vielleicht nicht, um denjenigen rauszuholen, ist ja auch nicht immer unser Job, ist ja auch okay, müssen wir ja auch nicht zwingen. Aber ich bin mir gar nicht so sicher, ob es wirklich noch echte Anerkennung immer gibt. Also wenn man so Bestätigung erfährt, ja, aber ich habe halt auch das Gefühl, dass wir da auch oft so eine soziale Konvention haben, wenn ich jetzt so auf dem Markt mal Gespräche höre oder so, wo man ja auch oft die Aussagen der anderen einfach unkommentiert lässt, und ja, fälschlicherweise wird das dann von den meisten Leuten wahrscheinlich als Zustimmung gewertet.

Henning:

Das könnte sein, ja, Wenn Keine Gegenrede erfahren hat.

Nadine:

Und das macht aber auch klar, wie absolut wir dann werden. Also weil sonst könnte einem das ja auch viel leichter fallen, noch was dazu zu sagen. Aber das kommt ja in so einer Pauschalität, dass man auch sofort ein Gefühl hat, von ja, das stimmt. Also, da ist einfach Schublade zu, und das ist mir zu anstrengend, die dem jetzt wieder zu öffnen.

Henning:

Und ich weiß es ja auch vielleicht gar nicht besser, ich kenne ja nicht die Details Ich habe vielleicht so eine Vermutung von das kann noch nicht die ganze Wahrheit sein, und das ist ja auch das, was wir zumindest erstmal annehmen dass wir in der Regel, solange wir noch im mentalen Zustand rechtfertigen sind, noch nicht alles sehen, was zu diesem Problem gesehen werden kann. Und ich finde es ja okay, wir können uns ja immer noch die Option offenhalten, später zu entscheiden. unter diesen Umständen will ich aber nichts machen. Dann tue ich das eben aus dem mentalen Zustand Verantwortung, dass ich das als Optionsziel, wohl wissend, ich könnte jetzt was anderes tun. Ich könnte bei Regen rausgehen, ich könnte die Wäsche drinnen aufhängen, ich könnte den Nachbar mit dem kaputten Auto bitten, ob es okay ist, wenn ich mal eben fünf Minuten reingehe und meine Wäsche aufsetze, damit die nachher fertig ist, oder was auch immer. Es ist ja alles nicht so, dass wir keine Optionen hätten.

Nadine:

Was kann man denn jetzt tun, wenn man sich im mentalen Zustand rechtfertigen erwischt und gerne schneller zum mentalen Zustand Verantwortung möchte?

Henning:

Wahrscheinlich hilft es, sich ein Stück Selbstmitgefühl zu geben dafür, dass man ein Mensch ist und dass einem das passiert ist, in diesem mentalen Zustand rechtfertigen geraten und vielleicht auch stecken geblieben zu sein. Und dann ist es im Grunde genommen ja die Zauberfrage wie immer, wenn man aus einem mentalen Zustand unterhalb von Verantwortung raus möchte sich zu fragen was will ich eigentlich jetzt?

Nadine:

Also, was ist?

Henning:

mir wirklich wichtig. Was will ich, was kann ich dazu beitragen? Wie kann ich da hinkommen? Verkürzt könnte man auch die Frage und jetzt Das Problem ist ja ein Rechtfertigen, dass wir die nicht stellen, sondern dass wir glauben, das war's. Es gibt kein.

Nadine:

und jetzt, und das ist ja eher unwahrscheinlich- Und ich kenne das auch, dass die Frage manchmal ausreicht, um mich wieder abzuregen, weil dann klar ist, ja, ich könnte was tun, aber ich will nicht. Und dann jetzt lasse ich es vielleicht auch einfach los. Und manchmal muss man eben dann auch ein bisschen länger erforschen, um im Grunde sich einen größeren Eindruck vom Problem zu verschaffen und es besser zu verstehen. Und dazu muss ich aber auch erstmal ja ein Stück auch emotional bereit sein, die Gefühle, die damit einhergehen, der Ärger, der Frust, den auch auszuhalten und trotzdem weiter hinzugucken und dadurch das Problem eben wirklich für mich in Besitz zu nehmen. Hinter der Rubrik Jenseits von Gut und Böse steckt für uns das Ass im Ärmel der Selbstführung, denn der direkte Weg zum mentalen Zustand heißt erforschen statt bewerten.

Nadine:

Das haben wir schon mal in Folge 23 der ersten Staffel erläutert, und in den Shownotes findest du den Link zu einem Blogpost dazu, wenn du das nochmal nachlesen möchtest. Das Konzept in kurz und knapp könnte man beschreiben, als wenn wir das ganze Bild hätten, hätten wir kein Problem. Also ist die Idee Ärger und andere unangenehme Gefühle aushalten und ins Erforschen gehen, statt sich über eine Schubladenbewertung selbst am Weiterdenken zu hindern. So, und zu dem Thema hast du, henning, heute ein Beispiel mitgebracht. Erzähl doch mal.

Henning:

Ich habe gemeinsam mit meinem früheren Kollegen und guten Freund Stefan Rohk ein Buch zu Scrum geschrieben, Und das Buch ist im D-Punkt Verlag erschienen und verhältnismäßig erfolgreich, Und 2020 sind wir dann gefragt worden, ob wir die dritte Auflage von dem Buch machen. Bei so einem Scrum Buch bietet sich auch immer an, das an den Scrum Guide anzupassen, der ab und zu aktualisiert wird. Insofern waren wir natürlich gerne dazu bereit und hatten uns überlegt, so rund um Diskussionen mit geschlechtergerechter Sprache Wir könnten ja auch mal überlegen, wie können wir das eigentlich in unserem Buch vernünftig umsetzen. Und entschieden hatten wir uns halt für eine, finde ich, noch relativ sanfte Form, also gegen den Binnenmajuskel, also gegen das große I EntwicklerInnen und dafür für den Doppelpunkt, also EntwicklerDoppelpunktInnen statt Entwicklerinnen und Entwickler oder statt nur Entwickler zu schreiben oder statt nur immer EntwicklerInnen zu schreiben.

Henning:

Oder statt Sternchen zu benutzen, oder Sternchen zu benutzen, genau Das heißt, wir hatten uns für diese Doppelpunktnotation entschieden, und wir hatten das auch mit dem Verlag diskutiert, und wir wussten schon, das wird kein Thema sein, was irgendwie alle Leute toll finden, und wir hatten aber ein Gefühl von, es könnte irgendwie jetzt Zeit sein, dass man sich daran mal gewöhnt, und zumindest persönlich fanden wir das von den unterschiedlichen Arten, wie man das so gestalten kann mit geschlechtergerechter Sprache fanden wir es irgendwie akzeptabel und haben es entsprechend im Buch umgesetzt.

Henning:

Es gab dann doch reichlich Leser, die das sehr blöd fanden, und es ist offensichtlich auch ein Thema, wo Leute es nicht nur im Stillen blöd finden das gibt es ja auch sondern wo man auch heute noch in den Amazon-Rezensionen viele Ein-Sterne-Bewertungen lesen kann und Leute, die behaupten, sie hätten das Buch auch zurückgegeben, weil es ist ja völlig unlesbar, völlig verfuscht, könnte man irgendwie gar nichts mit anfangen und so Also die da sehr harsch werden und sehr hart in ihrer Reaktion und einem auch entsprechend, glaube ich, eine Agenda unterstellen, die doch noch verhältnismäßig männerdominiert ist, dass sich alle Gruppen darin repräsentiert fühlen können, und das ist ja erstmal, finde ich zumindest auch heute noch durchaus ja ein Anliegen geschlechtergerechter Sprache, das ich teile. Also, ich finde das in Ordnung, und ich würde mir das auch wünschen, dass sozusagen da keine Diskriminierung über die Sprache geschieht.

Nadine:

Und trotzdem gibt es eben unterschiedliche Perspektiven, weil es macht es erstmal sprachlich ein Stück sperriger, es werden erstmal Formulierungen oder Notationen benutzt, die unbekannt sind, deswegen vielleicht auch ein Stück unbequem beim Lesen. Und jetzt wollen wir ja gar nicht sachlich in das Gender-Thema einsteigen, sondern uns beschäftigt ja im Grunde die Frage warum erhitzt das eigentlich so sehr die Gemüter? Also, warum ist da die Bewertung so krass, und zwar ja in beide Richtungen, im Zweifel.

Henning:

Ja, und ich glaube, es hat relativ viel offensichtlich so mit Selbstbild zu tun. Also wo sieht man sich selber, und das kann möglicherweise ja sogar bei unserer irgendwie dabei sein möchte und das unterstützen möchte und auch sich deshalb dafür entscheidet, wohl wissend, dass andere Leute das doof und sperrig finden, so ein IT-Fachbuch über eine Entwicklungsmethode, muss denn das da auch unbedingt sein? Und man könnte auf der anderen Seite sagen ja klar, wenn es überall sein soll, dann muss es auch da sein. Das ist doch logisch, so Genau. Warum sollte es in dem Bereich nicht so sein? Und ich finde, es ist ganz lustig, weil die ganze Aufregung mal zur Seite die vierte Auflage ist gerade in der Mache, und wir verzichten tatsächlich in der vierten Auflage auf die Doppelpunktnotation. Wir werden aber stattdessen sehr bewusst von Entwicklerinnen und Entwicklern sprechen und wählen im Grunde den Weg, den, glaube ich, auch das Wochenmagazin Der Spiegel gewählt hat Halt, keine fremde Notation, aber eine deutlich häufigere bewusste Nennung auch der weiblichen Form.

Nadine:

So wie du das beschrieben hast, finde ich, macht es sehr klar. Da werden halt Werte verletzt auf beiden Seiten. Also du hast den Wert, ich möchte progressiv sein, ich möchte geschlechtergerechte Sprache etablieren und ein Stück dazu beitragen. Dein Wirt wird dann verletzt durch harsche Kritik. Die, die Kritik äußern, fühlen sich verletzt in ihrem Wert. Von Sprache macht viel aus, und ich will da keine große Veränderung. Und es ist ein bisschen die Frage oder geht es eigentlich noch ein Stück weiter, und ist das nicht eigentlich nur eine Stellvertreterdiskussion?

Henning:

Also, ich glaube definitiv, dass vermutlich nicht nur die Sprachästhetik und das.

Henning:

Ungewohnte, zumindest bei denen mit der besonders heftigen Kritik rüberkommt, sondern dass dann tatsächlich auch ein Stück weit. also es fällt ja schon auf, dass die Hauptkritik in dieser ganzen Gendersprache kommt von alten weißen Männern, die tendenziell eher dem konservativen Spektrum zuzuordnen sind, Und das bedeutet, dass die möglicherweise ja auch der, dass die möglicherweise halt vor der gesellschaftlichen Bedeutung, die das hat, wenn wir eben nicht nur die Sprache geschlechtergerecht haben, sondern möglicherweise sogar die Gesellschaft geschlechtergerecht gestalten, dass man davor vielleicht Angst hat und dass man das erstmal per se jetzt nicht nur eine tolle, begrüßenswerte und großartige Entwicklung findet, Was ja auch erstmal okay ist. Ich will das ja gar nicht. ich will es erstmal hier nicht bewerten. Ich habe vielleicht für mich eine Vorstellung, was ich mir wünsche, wie die Welt wäre. Aber es ist ja trotzdem auch zu akzeptieren, dass andere Leute das nicht so sehen müssen.

Nadine:

Und mit denen ist halt auch nichts verkehrt. Also sie spiegeln ja erstmal nur einen krassen Angriff auf ihre Werte Und das muss uns nicht gefallen, Und man kann auch was dafür tun, um da vielleicht in Dialog zu gehen oder es abzumildern oder zu erklären. Aber erstmal ist das menschlich. Wenn ich mich angegriffen fühle und das ist, glaube ich, ein Angriff für sie, dann falle ich natürlich auch im Zweifel ins Beschuldigen und schlage zurück.

Henning:

Genau, und ich glaube, es ist ja so ein klassischer Konflikt zwischen da fühlt man sich angegriffen, weil der Status Quo einem nützt, und man ein bisschen. Angst davor hat, dass die Veränderung zu einer Welt führt, die man eben nicht so gerne hat, die nicht den eigenen Werten so stark entspricht Und die Gegenseite hat, irgendwie erst mal das starke Argument von Gerechtigkeit, also mindestens mal im Sinne von Gleichheit, ja, und ich finde, es zeigt aber eben auch.

Nadine:

Also, warum machen wir das mit diesem starken Bewerten? Es nützt halt auf eine Art, und es schafft ja erstmal wahnsinnig schnell klare Fronten Du dafür, ich dagegen. Also das ist erstmal. Unser Gehirn liebt halt Klarheit, und deswegen verfallen wir im Grunde auch so schnell in so ein Schwarz-Weiß-Denken.

Henning:

Und was unser Gehirn ja auch eher nicht so gerne hat, ist Veränderung.

Henning:

Also jetzt das sozusagen komplett neu zu denken, und das kann ich für mich persönlich auch sagen, wenn ich darüber nachdenke, mit welcher Selbstverständlichkeit ich wahrscheinlich allerhand Vorteile genossen habe, schon in der Erziehung anfangt gegenüber meinen Schwestern, die anders behandelt wurden, von denen was anderes erwartet wurde als von mir, Bis hin zu, wie ich dann studieren und Karriere machen konnte und 60 Stunden die Woche gearbeitet habe und mich nicht irgendwie immer genauso viel ums Kind gekümmert habe oder so. Und am Ende glaube ja, war alles meine Leistung, was ich erreicht habe. Und jetzt wird so ein bisschen in Frage gestellt ja, da hast du auch irgendwie ganz schön deine Vorteile ausgespielt und warst vielleicht auch ein bisschen rücksichtslos.

Nadine:

Ja, ins Bewerten zu verfallen, fällt unserem Gehirn also relativ leicht. Erforschen kostet geistige Anstrengung, und ich glaube, wir haben zumindest die Erfahrung gemacht. Es lohnt sich Also. Zum einen lohnt es sich, ins Üben einzusteigen, weil auch das wird ja immer leichter, dass ich eben schneller aus dem Bewerten rauskomme und ins Erforschen gehe. Und dieses Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven, das verhilft uns, aus den gewohnten Bahnen rauszukommen, was anderes zu denken als sonst. Deswegen muss ich ja noch gar nicht irgendwas anderes tun. Aber wenn ich merke, durch meine Bewertung lande ich immer wieder an derselben Stelle, und das wird passieren, weil das ist ja genau der Effekt, dass wir nicht weiterdenken können, dann hilft es eben, sich zu fragen, was sehe ich noch nicht, welche Perspektiven könnte ich noch einnehmen? Und um jetzt bei dem Gender-Beispiel zu bleiben wir haben das ja auch gerade diskutiert natürlich kann ich mich menschlich damit verbinden, dass sich Menschen angegriffen fühlen und Angst um ihre unbeschwerte Zukunft haben.

Nadine:

Ja, und es hilft halt auch nicht, dass ich dann nur denke, alte weiße Männer sind halt zu bescheuert, um das zu verstehen Das wäre ja wieder bewerten sondern sich zu überlegen okay, und was will ich da jetzt machen an der Ecke, und was sehe ich vielleicht noch nicht, Was habe ich noch nicht ausprobiert, könnte auch es loslassen und sich ja gar nicht in den Kampf des anderen so reinziehen lassen, Und auch dafür muss ich aber ja erstmal aus der Bewertung kommen, dass das jetzt irgendwie schlimm wäre, dass da jemand harsche Kritik geäußert hat.

Henning:

Ich sehe hier noch so einen kleinen Zusammenhang zu unserer Diskussion zum mentalen Zustand rechtfertigen. Im Grunde machen wir im mentalen Zustand rechtfertigen ja auch nichts anderes, als dass wir eine bestimmte Bewertung vornehmen. Die Umstände sind schlecht, deshalb geht jetzt irgendwas anderes nicht, und ich glaube, es ist ja vor allem oft dieses Absolute. Also, es würde ja schon helfen, wenn ich stattdessen denke oh, mir gefällt das nicht, deswegen kann es ja trotzdem in der Welt sein. Deswegen muss ich nicht zwingend einen Feldzug gegen diesen Umstand anführen, ganz davon ab, dass wir das im mentalen Zustand rechtfertigen ja auch nicht tun würden, sondern erstmal uns ja nur als Opfer empfinden.

Henning:

Aber das Bewerten kann ja auch dazu führen, dass wir quasi für eine andere Welt kämpfen, und das tun dann ja sogar Leute aus dem mentalen Zustand Verantwortung, sich dagegen auflehnen und um was anderes bitten und sich beschweren oder was auch immer tun. Aber es wäre halt schon alles ein ganzes Stück einfacher, wenn man es erstmal in Richtung persönliche Vorlieben versteht. Und nicht so ist es in der Welt gut, so ist es in der Welt schlecht. Das macht es auch für einen selber einfacher. Das ist zumindest ja der Trick, den wir im Grunde genommen für uns verwenden, wenn wir bewerten, dass wir das Absolute rausnehmen.

Nadine:

Wir wünschen dir viel Erfolg beim Erforschen in einer Welt jenseits von Gut und Böse.

Henning:

Wenn du dich mehr in einer bewertungsfreien Welt aufhalten willst, kannst du mit und bei uns lernen, in unserem Programm Verantwortung meistern für dich und andere. Mehr Infos findest du unter selbstfuehren. selbstführende-vm.

Nadine:

Und wenn du Anregungen, Wünsche oder Fragen an uns hast, dann schreib uns an podcast@ selbstfuehren. de.

Nadine:

Zwischen Reiz und Reaktion wünschen wir dir Freiheit, Kraft und Optionen.